Systemversagen in Baden-Württemberg
Es ist ja so: Lehrer machen einen der härtesten Jobs und sind chronisch überarbeitet. Warum das in Baden-Württemberg unter anderem mit einem massiven Verwaltungsskandal zusammenhängt, wurde kürzlich deutlich.
Digitalisierung ist kein Selbstzweck und Daten sind nicht einfach nur Buchstaben und Zahlen. Sie sind Abbild der Wirklichkeit und Grundlage wichtiger Entscheidungen. Wer das nicht versteht, sollte weder Verantwortung für Menschen noch für digitale Systeme tragen. Und doch zeigt der Fall um 1.440 „Geisterlehrer“ in Baden-Württemberg: Genau das ist offenbar geschehen.
Zwanzig Jahre lang fiel im Kultusministerium niemandem auf, dass zahlreiche Stellen nur auf dem Papier existierten: Lehrer, die nie ein Klassenzimmer betraten, kein Kind unterrichteten. Ein Abgrund aus digitalem Schlendrian, Verwaltungsblindheit und mangelnder Datenkompetenz tut sich da auf. Und es ist nicht einfach nur eine „Datenpanne“, wie das Ministerium es nennt. Es ist ein Systemversagen.
Im Zentrum: das seit 2005 genutzte Personalverwaltungssystem „Dipsy“. Eigentlich sollte es die Digitalisierung der Lehrerstellen verwalten helfen. Tatsächlich aber übernahm es fehlerhaft migrierte Daten aus einem Altsystem und wurde seitdem offenbar nie ernsthaft überprüft. Statt echter Personen verwaltete das System Stellenprofile, also Konstrukte, die zwar auf dem Papier existierten, aber auch nur dort. Und niemand wunderte sich.
Was auf den ersten Blick wie ein Verwaltungsfehler aussieht, ist in Wahrheit ein Lehrstück in puncto „falsch verstandene Digitalisierung“. Software kann nur so gut sein wie ihre Betreiber. Und Datenpflege ist keine Randaufgabe, sondern zentrale Voraussetzung für digitale Prozesse. Hier aber fehlte es nicht nur an Kontrolle, sondern offenbar auch am grundsätzlichen Verständnis: Wie Daten entstehen, gepflegt, überprüft, interpretiert werden müssen, scheint in den zuständigen Behörden nie angekommen zu sein.
Die Folgen? 36.000 ausgefallene Unterrichtsstunden. Fehlende Lehrer an bis zu 62 Grundschulen. Gymnasien, denen rechnerisch das Personal von 18 kompletten Kollegien fehlte. Und das alles blieb unbemerkt? Kaum zu glauben. Schüler, Eltern, Lehrkräfte spüren seit Jahren die Überlastung. Nur die Verwaltung sah es offenbar nicht.
Der Skandal hat viele Ebenen: organisatorisches Versagen, politische Verantwortungslosigkeit, fehlende Datenkompetenz. Er zeigt, dass Datenschutz und Datenqualität zwei Seiten derselben Medaille sind. Wenn Verantwortliche sich hinter Phrasen wie „Datenpanne“ verstecken, zeigen sie vor allem eins: dass sie den Kern des Problems immer noch nicht verstanden haben. Digitalisierung ohne Verantwortung ist keine Lösung, sondern ein Risiko.
Datenschutzkolumne
“So viele Buchstaben und sooo viel mehr, was damit ausgedrückt werden kann.“