Die Migration Ihres Qualitätsmanagementsystems auf die neue Normenversion 9001:2015 bereit Ihnen Kopfschmerzen? Georg Flammersberger von der greenQuality Flammersberger + Färber GbR verrät Ihnen exklusiv in diesem und den folgenden Beiträgen wie Sie einen Weg durch den Dschungel der Änderungen und Neuerungen finden.
EINFÜHRUNG
Welche wesentlichen Änderungen gibt es denn in der Norm zu vermerken?
1. Dokumentierte Informationen
2. Ausschlüsse
3. Produkte und Dienstleistungen
4. Bedeutung der Akteure im Qualitätsmanagement
5. High Level Structure
Vorne weg: Aus unserer Sicht und unserer Erfahrung gibt es bezüglich dieser Änderungen keinerlei Handlungsbedarf in Ihrem bestehenden Qualitätsmanagementsystem. Wir nehmen bezüglich dieser Punkte zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses hierüber immer Kontakt mit dem Auditor auf, der Ihr System dem nächsten Audit unterzieht.
Auf die Bedeutung einiger dieser Änderungen wollen wir heute genauer eingehen und Ihnen neben den Erläuterungen auch Ansätze für die Umsetzung liefern, sofern Sie diese vornehmen wollen. Ein weiterer Blogbeitrag wird sich dann mit der High Level Structure und den realen und möglichen Auswirkungen auf Ihr Managementsystem auseinandersetzen.
Neben den erwähnten Änderungen gibt es aber auch noch einige völlig neue Aspekte:
6. Kontext des Unternehmens (Abschnitt U der Norm)
7. Führung (Abschnitt V der Norm)
8. Wissen (Abschnitt W der Norm)
9. Risiko (Abschnitt X der Norm)
10. Steuerung externer Prozesse (Abschnitt Y der Norm)
Auf jede dieser Neuerungen werden wir dann in kommenden Beiträgen dieser Blogserie eingehen. Dabei werden wir jeweils einen pragmatischen Ansatz zur Abbildung dieser Themen liefern. Außerdem haben wir für die Arbeit mit unseren Migrationskunden Mindmaps erarbeitet, die eine rasche Erarbeitung einer Umsetzungsgrundlage bieten. Diese können Sie jeweils am Ende des Blogs kostenlos von unserer Homepage herunterladen.
ÄNDERUNGEN
Dokumentierte Informationen
Mit dem neu eingeführten Begriff „Dokumentierte Informationen“ trägt die Norm der Tatsache Rechnung, dass die Digitalisierung der Berufswelt immer weiter fortschreitet. Waren früher alle Informationen in der Regel gedruckt und in Ordnern abgelegt sind sie heute zumeist digitalisiert. Sie befinden sich in Office-Dokumenten, in Software oder in Datenbanken, auch in der Cloud oder in Firmen-Wikis.
Für die Unternehmen bedeutet das im weitesten Sinne, dass das Qualitätsmanagementsystem aus einem Verzeichnis zu dokumentierten Informationen bestehen kann, z. B. die Qualitätspolitik, das Prozessverzeichnis, eine Arbeitsanweisung.
In diesem Zusammenhang wird gegenwärtig heftig über die Notwendigkeit eines Handbuches diskutiert. Die meisten Akteure sind sich einig, dass aus der Norm die Notwendigkeit eines Handbuches nicht mehr abgeleitet werden kann.
Die Norm hat aber seinen Anspruch zur ganzheitlichen Beschreibung des Unternehmens nicht aufgegeben, sondern weiter ausgebaut und neue Aspekte mit aufgenommen, wie zum Beispiel die Themen Wissensmanagement, Risikobewertung oder den Kontext des Unternehmens. Das Qualitätsmanagementsystem muss folglich dafür sorgen, dass alle Bereiche des Unternehmens beschrieben sind. Folglich kann abgeleitet werden, dass es in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem zumindest ein Verzeichnis aller Dokumentationen geben muss. Wenn diese womöglich in unterschiedlichen Quellen verteilt sind, wie zum Beispiel Office-Dokumenten, Software oder Datenbanken, dann bleibt vom traditionellen Handbuch zumindest noch das Inhaltsverzeichnis als zentrales Verteilerelement übrig.
Um allen Akteure im Qualitätsmanagement eine erste Orientierung zu geben, arbeitet greenQuality daher noch immer mit einem Managementhandbuch. Dieses hat in der Regel einen Umfang von ca. 20 Seiten. Darin wird die Funktionsweise des Managementsystems beschrieben. Es endet zumeist mit der Prozessliste. Von dort leiten wir mit Verlinkungen auf die jeweilige Prozessdokumentation und deren Aufzeichnungen. Selbstverständlich kann das Handbuch auch in einem Intranet oder Firmen-Wiki abgebildet sein.
Ausschlüsse
Der Begriff Ausschlüsse wird in der neuen Norm nicht mehr erwähnt. In der vorhergehenden Norm konnte unter bestimmten Umständen die Anforderungen entsprechend der Entwicklung ausgeschlossen werden. Davon wurde in Dienstleistungsunternehmen und projektorientierten Unternehmen häufig Gebrauch gemacht.
In der Interpretation A.5 Anwendbarkeit in den Anlagen zur Norm wird ausgeführt, dass Unternehmen die Anwendbarkeit einzelner Anforderungen der Norm überprüfen können
- aufgrund der Größe und Komplexität des Unternehmens,
- dem übernommenen Managementmodell,
- dem Tätigkeitsbereich der Organisation und
- der Art der Chancen und Risiken.
Das bedeutet, dass die Organisation begründen und dokumentieren muss, warum sie einzelne Anforderungen der Norm auf der Basis einer oder mehrerer oben genannten Gründe nicht anwendet. Mit diesem Eingeständnis, Anforderungen nicht zu bewerten, geht im Umkehrschluss aber einher, dass die Organisation jetzt die Steuerung externer Prozesse, beigestellter Produkte und Dienstleistungen steuern muss. Das bedeutet, dass es zum Beispiel aktiven Einfluss an die Ausführung einer Steuerberatungstätigkeit, einer Lohnbuchhaltung oder einen externen Entwicklungspartner nehmen muss und dies auch belegt.
Produkte und Dienstleistungen
Das Qualitätsmanagement hat seine Herkunft aus der Produktion. Daher standen bislang Produkte im Mittelpunkt. Zunehmend rücken Dienstleistungen in unserem Wirtschaftssystem in den Mittelpunkt und viele neue Organisationen, die das Qualitätsmanagement anwenden stammen aus dem Dienstleistungssektor. Dem wird hier Rechnung getragen. Im Übrigen sind die Anwendungen vieler Methoden aus der Produktion auch auf Dienstleistungen anwendbar, zum Beispiel die Entwicklung von Dienstleistungen unter Berücksichtigung der 4 Marketingpolitiken Produkt, Distribution, Preis und Kommunikation oder das Roadmapping. Der Forschung kann zum Beispiel die Anwendung oder die Erstellung von Studien gegenübergestellt werden.
Exkurs:
In obigen Absatz wird unter anderem der Begriff Organisation zitiert. Auch dies stellt eine implizite Änderung dar. Dadurch wird offeriert, dass auch andere Organisationen als Produktions- und Dienstleistungsunternehmen die Norm anwenden können, z. B. Vereine oder Gesundheitsbetriebe.
High Level Structure
Grundsätzlich besagt die High Level Structure lediglich, dass die neuen Normen alle gleich aufgebaut sind. Es ist also ein Begriff, der auf die Norm selbst abzielt und hat grundsätzlich keine Bedeutung für das Managementsystem, dass in Ihrer Organisation aufgebaut und betrieben wird. Orientiert sich ihr Managementsystem jedoch an der Struktur der Norm(en), dann hat dies natürlich sehr wohl Auswirkungen auf ihr System und es vereinfacht dann auch die Abbildung mehrerer Normen in einem integrierten Managementsystem.
Bei greenQuality spielt die High Level Structure eine sehr untergeordnete Rolle, weil wir Managementsysteme nicht nach der Norm, sondern nach der Organisationsstruktur unserer Kunden aufbauen. Lediglich im „verbleibenden Managementhandbuch“ orientieren wir uns zur leichteren Orientierung für die Auditoren an der Norm. Ansonsten sind unsere Systeme am Organigramm, den Prozessen und den Prozesstypen (Managementprozesse, Kern- bzw. Wertschöpfungsprozesse, Unterstützungsprozesse und Beauftragtenprozesse) ausgerichtet.
Bedeutung für die Akteure des Qualitätsmanagements
Die Verantwortung für die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems wurde explizit der Obersten Leitung zugeordnet. Konsequenterweise nennt die Norm daher den Qualitätsmanagement-Beauftragten nicht mehr, sie schließt ihn aber auch nicht aus. Es liegt an der Organisation, wie sie das Qualitätsmanagement organisiert. Wenn ein Qualitätsmanagement-Beauftragter ernannt ist und dieser womöglich einen entsprechenden Arbeitsvertrag hat, so muss daran nichts geändert werden. Das Qualitätsmanagement kann auch weiterhin als Stabstelle betrachtet werden mit direktem Zugang zur Obersten Leitung. Aber die letztliche Verantwortung liegt bei der Obersten Leitung. Das Qualitätsmanagement insgesamt ist für die Ausführung der Norm verantwortlich. Die operativen Tätigkeiten, die mit der Norm einhergehen, z. B. Interne Audits, können folglich weiterhin in das Qualitätsmanagement delegiert werden.
Umsetzungszeitraum
Das Ende der Übergangsfrist auf die neue Norm DIN EN ISO 9001:2015 endet am 15.09.2018. Das hat zwei Auswirkungen:
1. Ab dem 16.09.2018 können nur Managementsysteme nach der 2015-er Norm aufgebaut und in Kraft gesetzt werden.
2. Organisationen, die bislang nach der Norm DIN EN ISO 9001:2008 zertifiziert sind und zertifiziert bleiben wollen, müssen bis zum 14.09.2018 ihr System auf die neue Norm umgestellt haben.
Am 16.09.2018 sind Zertifikate, die noch auf die 2008-er Norm ausgestellt sind nicht mehr gültig und damit ist das Unternehmen nicht mehr gemäß Qualitätsmanagement zertifiziert.
In Teil 2 dieser Blogreihe stellen wir die Neuerungen vor, die durch das Normenupgrade eingebracht werden.