Hamburgs oberster Datenschützer, Prof. Dr. Johannes Caspar kritisiert den Entwurf der Bundesregierung für ein Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz, mit dem u.a. die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für Deutschland konkretisiert werden soll.
BETROFFENENRECHTE WERDEN BESCHNITTEN
Wie es in der Pressemitteilung des HmbBfDI heißt: „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung räumt den verantwortlichen Stellen indes eine Vielzahl von Möglichkeiten ein, die Betroffenenrechte unerfüllt zu lassen, und weicht vom Schutzstandard der DSGVO ohne hinreichende Rechtsgrundlage ab.“ Weiter betont er hier, dass man den bloßen Aufwand für den Verantwortlichen nicht als Grund für Informationsverweigerung oder mangelnde Erfüllung der Löschpflicht vorschieben könne.
KEINE EFFEKTIVE BETEILIGUNG DER BUNDESLÄNDER?
„In den Fällen, in denen die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder für die Kontrolle von Unternehmen zuständig sind, die europaweit Daten verarbeiten, müssen sie in der Lage sein, ihre Erkenntnisse direkt in den Europäischen Datenschutzausschuss einzubringen.“ Die von der Bundesregierung vorgesehene Vertretungsregelung, die das Verhandlungsmandat über aufsichtsbehördliche Maßnahmen künftig auf die Ebene des Bundes verlagert und zusätzlich zu den ohnehin komplexen Regeln des europäischen Verwaltungsverfahrens noch einen langwierigen Abstimmungsprozess zwischen den Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene vorsieht, widerspräche hingegen der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden und behindere den Verwaltungsvollzug.
VIDEOÜBERWACHUNGSGESETZ
Zukünftig sollen private Stellen personenbezogene Daten aus einer Videoüberwachung verarbeiten dürfen, sofern dies zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Die Aufsichtsbehörde betont: „Es kann nicht Aufgabe der Privatwirtschaft sein, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten; hierfür sind allein die Sicherheitsbehörden zuständig, die mit ausreichenden landes- und bundesgesetzlichen Rechtsgrundlagen ausgestattet sind.“ Auch sei für eine Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten privater Stellen in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Passanten nach der DSGVO überhaupt keine Rechtsgrundlage ersichtlich.
UNABHÄNGIGE DATENSCHUTZAUFSICHT
Mit der Neuregelung soll den staatlichen Datenschutzaufsichtsbehörden der Zugang zu Informationen sowie zu den Geschäftsräumen von Geheimhaltungsverpflichteten wie z.B. Rechtsanwälten, Ärzten oder Angehörigen von Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherungen verwehrt sein, wenn dies zu einem Verstoß gegen die Geheimhaltungspflichten dieser Personen führen würde. Die Problematik liegt dabei auf der Hand: Mit Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht könnten sich die geheimhaltungspflichtigen Stellen der Durchsetzung des Datenschutzes gänzlich entziehen. „Die Aufsichtsbefugnisse müssen daher uneingeschränkt fortbestehen. Zum Schutz des jeweiligen Berufsgeheimnisses reicht es aus, die Verschwiegenheitspflicht auf die Datenschutzbehörden zu erstrecken.“
CASPARS FAZIT
Prof. Dr. Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zieht Bilanz: „Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zusammengestellt, der an sehr vielen Stellen den Datenschutz aufweicht. Die Realisierung der eigenen Rechte Betroffener wird dadurch ebenso behindert wie die effektive Kontrolltätigkeit der staatlichen Datenschutzaufsichtsbehörden erschwert. Darüber hinaus wird die Vollzugskompetenz der Bundesländer auf europäischer Ebene unangemessen eingeschränkt. Diese sind für den Vollzug des Datenschutzrechts gegenüber nahezu allen nicht-öffentlichen verantwortlichen Stellen in Deutschland zuständig. Datenschutz ist ein Markenkern Europas, durch den die Selbstbestimmung, die Freiheit und die Gleichheit der Menschen gerade auch in Zeiten des digitalen Umbruchs und der allgegenwärtigen Gefahr des Terrors gewahrt werden. Die Umsetzung der europäischen Datenschutzstandards sollte daher auf einem hohen nationalen Niveau im Geiste der Gemeinsamkeit erfolgen und nicht auf möglichst niedrige einzelstaatliche Standards setzen. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung dient weder der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit noch der Steigerung der Sicherheit in Deutschland, sondern führt zu mehr anlassloser Überwachung und einem Abbau von Verbraucher- bzw. Betroffenenrechten. Es ist daher zu hoffen, dass der Bundesrat die erforderlichen datenschutzfreundlichen und europarechtskonformen Änderungen vornimmt. Die Vorschläge hierfür liegen auf dem Tisch.“