© PantherMedia Stock Agency / Barna Tanko
EINE MILDE GABE FÜR DIE FORSCHUNG
Eine Spende ist eine edle Tat: Es wird gegeben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Manchmal gibt es trotzdem eine Kleinigkeit, etwa eine Brotzeit für die Blutspende oder eine gesenkte Steuerlast. Vor allem aber fühlt es sich einfach gut an und es ist auch schön zu wissen, dass wir genug haben, um anderen etwas davon abgeben zu können. Blut und Geld haben viele von uns schon gespendet. Seit Anfang April können nun 10% der Deutschen (alle, die einen Fitnesstracker nutzen) auch Daten spenden – für die Wissenschaft. Die Datenspende-App des RKI wurde mittlerweile von mehr als 400.000 Deutschen heruntergeladen. Über Wearables wie die Apple Watch oder Fitnesstracker von Fitbit, Garmin, Polar, Withings und Google Fit-kompatible Smartwatches, werden Vitaldaten gesammelt und gespendet. Die Datenspende soll dabei helfen, Corona-Infizierte besser identifizieren zu können und eine „Fieberkarte“ für Deutschland zu entwickeln. Übermittelt werden neben Puls und Herzfrequenz u.a. auch Alter, Gewicht und Postleitzahl sowie Daten zum Schlafverhalten. Daraus sollen dann Schlüsse im Hinblick auf Krankheitsverläufe gezogen werden. Ein erhöhter Ruhepuls kann zum Beispiel ein Hinweis auf eine Infektion sein. Allerdings kann es auch ein Hinweis darauf sein, dass die betreffende Person gerade unter erhöhtem Stress steht, weil zum Beispiel das Kind, das seinen Wissensdurst normalerweise in der Schule stillt, gerade … sagen wir mal, die Katze operiert, um herauszufinden, was in ihr drin ist. Da kann man schon mal Puls kriegen. (Anmerkung der Verfasserin: Ich habe gar keine Katze, also keine Sorge!) Durch den Zyklus kommt es zu Schwankungen der Körpertemperatur und wer sich in letzter Zeit abends immer noch einen Horrorfilm oder die Nachrichten reinzieht, weil er sich tagsüber so gelangweilt hat, schläft deshalb vielleicht auch schlechter. Es ist also längst nicht alles, was mit einem erhöhten Ruhepuls, erhöhter Temperatur oder schlechtem Schlaf einhergeht, Corona.
Die gegenwärtige Situation ist außergewöhnlich, was sich sicher auch in Stressmustern zeigt. Bei der Sammlung und Auswertung von Daten, muss derzeit vieles berücksichtigt werden, damit die Datenflut nicht noch mehr Verwirrung stiftet. Manchmal führen falsche Muster sogar zu richtigen Schlüssen, aber eben aus den falschen Gründen. Vor einiger Zeit wurde eine KI auf die Unterscheidung zweier Sprachen trainiert, die sich sehr ähneln: Soweit ich mich erinnere, ging es um Slowakisch und Slowenisch. Der Algorithmus wurde mit Sprachdaten gefüttert und konnte die Sprecher sehr schnell absolut zuverlässig zuordnen. Wow, was für eine Leistung! Doch bald war klar, dass der Algorithmus versagte, sobald er andere Sprachdaten deuten sollte. Des Rätsels Lösung war: Die KI war gar nicht auf die Sprache, sondern auf die Hintergrundgeräusche trainiert worden. In Slowenien hatte es ein anderes Hintergrundgeräusch gegeben als in der Slowakei, deshalb war das dann eben Slowenien, wo zufällig Slowenisch gesprochen wird.
Man stelle sich so etwas im Zusammenhang mit einem noch recht wenig erforschten Virus vor! Gut, dass RKI für Robert Koch-Institut steht und nicht für rege künstliche Intelligenz…
GUT GEMEINT IST NICHT GUT GEMACHT
Kritisch sieht auch der Chaos Computer Club (CCC) die Nutzung der App. Da der Quellcode geheim ist, wurde von Mitgliedern des CCC eine Black-Box-Analyse durchgeführt, die erste Erkenntnisse in Bezug auf die Struktur lieferte. Es zeigte sich, dass das RKI sich die gespendeten Daten nicht von den Geräten der Nutzer, sondern direkt von den Anbietern holt, was den Zugriff auf Klarnamen und Vitaldaten der User noch „vor Beginn der Spende“ und vor der Pseudonymisierung ermögliche.
Außer bei der Nutzung von Apple Health, müssen bei der Verknüpfung von App und Fitnesstracker stets die Zugangsdaten eingegeben werden, was ein enormes Risiko darstellt, da die Daten bei einer Man-in-the-Middle-Attacke abgegriffen werden können. Derart sensible Daten in den falschen Händen sind eine Katastrophe.
Auch die Gesellschaft für Informatik (GI) übte harsche Kritik an der Umsetzung der Datenspende-App. Dass die App eventuell ein mit Mängeln behafteter Schnellschuss sein könnte, räumen mittlerweile sogar schon einige der Initiatoren ein. Trotzdem finden sie es ganz prima, dass so viele mitmachen und haben schon Ideen für eine neue Quarantäne-App. Was für ein vielversprechender Ansatz! „Mein Produkt ist zwar nicht der Hit, aber danke, dass ihr es trotzdem nutzt – ich habe schon weitere Pläne!“