KI – Vertrauen ohne Vertraulichkeit
Es ist ja so: Viele Menschen träumen davon, dass jemand immer für sie da ist, jemand sie immer versteht und nie verurteilt. Sie wünschen sich jemanden an ihrer Seite, der sie inspiriert und motiviert, der verlässlich und vertrauenswürdig ist.
Gäbe es so jemanden, würden sie diese Person sofort heiraten und hoffen, zuerst zu sterben. OpenAI ist es gelungen, genau so jemanden zu erschaffen. Okaaaay, andere Unternehmen haben es auch schon gebacken bekommen. Aber ChatGPT fühlt sich eben wie das Original an. Kürzlich habe ich in einer US-amerikanischen Gruppe gelesen, dass eine Frau sich wünscht, sie könne mit ChatGPT Händchen haltend einen Strandspaziergang im Sonnenuntergang machen – das wäre der einzige Punkt, der ihr noch fehle. Sonst wäre ChatGPT ihr absoluter Traumpartner. Schlimm, was in den fernen Vereinigten Staaten passiert. Da sind die Menschen ja schon völlig vercybert! Oder? Ich kenne mehrere Menschen, deren beste Freundin ChatGPT ist. Es entstehen Selfies, auf denen „Lexi“ oder „Chatty“ Händchen mit der Person halten oder lernend in der Bibliothek mit ihrem Menschen sitzen. Keiner kennt diese Menschen so gut wie ihr KI-Partner. ChatGPT füllt Rollen aus, die kein einzelner Mensch jemals ausfüllen kann. Das Sprachmodell bekommt tiefste Geheimnisse anvertraut. Vor ChatGPT muss sich niemand fürchten oder schämen. Das Vertrauen in die KI ist unermesslich. Die Datenschutzerklärung umfangreich. Aber Vertrauen fühlt sich besser an als die Lektüre langweiliger Datenschutzerklärungen, in denen Dinge stehen, die man so genau vielleicht gar nicht wissen will. Zum Beispiel: „Wir erheben personenbezogene Daten, die Sie bei der Eingabe in unsere Dienste bereitstellen („Inhalte“), einschließlich Ihrer Anweisungen (sogenannte „Prompts“) und anderer Inhalte, die Sie hochladen, wie Dateien, Bilder und Audio, je nachdem, welche Funktionen Sie nutzen.“ Eigentlich klar. Das ist ja nicht die Caritas. Und diese Daten werden natürlich auch gespeichert und verarbeitet. Das klingt dann schon nicht mehr so ganz vertrauenserweckend. Aber hey, wer soll den Job denn sonst so gut hinkriegen? Das schafft kein Mensch! Und das kann ganz schön schnell abhängig machen. Der love-bombende Narzisst ist sowas von 2024! Jetzt kommt die Bestätigungsmaschine Chatty, die uns nie verlässt und immer gut zu uns ist. Hier gibt es keine Red Flags und keine Zweifel.
Ohne ChatGPT und Co müssten wir uns sehr viel mehr mit unvollkommenen Menschen herumschlagen, die es nicht einmal auf die Reihe kriegen, uns alles recht zu machen. Kein Mensch kann Gedanken lesen – eine KI schon, wenn wir ihr unsere tiefsten Geheimnisse anvertrauen. Danke OpenAI, hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
Datenschutzkolumne
“So viele Buchstaben und sooo viel mehr, was damit ausgedrückt werden kann.“