Was verrät unsere Anrufliste alles über uns – beispielsweise der Anruf beim Arzt, der Verwandtschaft, beim Lieblingsrestaurant oder der Hotline der Agentur für Arbeit? Verbunden mit den Standortdaten unseres Mobiltelefons und dem Suchverlauf im Netz gar nicht mal so wenig…Und genau diese Informationen müssen die Telekommunikationsanbieter ab dem 01. Juli 2017 speichern und können im Bedarfsfall von Sicherheitsbehörden abgerufen werden.
GRUND DER SPEICHERUNG
Ziel ist es, die gespeicherten Daten zur Klärung schwerer Verbrechen nutzen zu können. Das klingt nicht zuletzt in Anbetracht der derzeitig angespannten Sicherheitslage einerseits sinnvoll. Andererseits drängt sich die Frage auf, ob diese weitreichende Erfassung und Überwachung der Telekommunikationsdaten aller Bürger angemessen und rechtmäßig ist. Darüber informiert der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg, Dr. Stefan Brink, in einer Pressemitteilung von 30. Juni.
DATENSPEICHERUNG FÜR ALLE FÄLLE
Im neuen § 113b des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind sämtliche Anbieter öffentlich zugänglicher Telefon- und Internetzugangsdienste für Endnutzer verpflichtet worden, folgende Daten für zehn bzw. vier Wochen zu speichern und nach Auskunftsverlangen der Behörden an diese zu übermitteln:
- Wer wird von wem angerufen?
Dazu wird die Rufnummer des angerufenen Anschlusses mit Datum, Uhrzeit und Dauer des Gespräches erfasst. - Welche Aktivitäten erfolgen im Internet?
Zugewiesene IP-Adresse, Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung werden gespeichert - Wo hat sich der Handynutzer aufgehalten?
Hier erfolgt eine vierwöchige Speicherung der Standortdaten des Mobiltelefons
Im Rahmen dieser Vorratsdatenspeicherung werden –mit Ausnahme von SMS – keine Inhaltsdaten gespeichert. Trotzdem ist es aus Sicht der Datenschützer sehr wohl möglich aus der Vielzahl der gespeicherten Daten detaillierte Rückschlüsse auf das Privatleben der entsprechenden Person -wie zum Beispiel ausgeübte Tätigkeiten, Beziehungsstatus, und Aufenthaltsorte- zu ziehen und somit genauso sensible Daten zu erheben wie es mit Inhaltsdaten möglich wäre.
Abgerufen werden dürfen die Daten nur von Strafverfolgungs- oder Gefahrenabwehrbehörden. Die Datenübermittlung darf gemäß § 101 a Absatz 1 Satz 1 i.V.m § 100b Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) ausschließlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch gerichtliche Anordnung bzw. bei „Gefahr in Verzug“ auch über Anordnung der Staatsanwaltschaft selbst erfolgen.
NEUSTE ENTWICKLUNGEN
Gegen die geplante Vorratsdatenspeicherung hatte ein Münchener IT- Unternehmen geklagt, das die Internetzugangsdaten seiner Kunden nicht speichern will, weil dies teure Investitionen in die benötigte Hard- und Software bedeuten würde und bekam vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Recht (Az. 13 B 238/17). Das Gericht stellte fest, dass die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht konform mit EU-Recht ist, da die Speicherpflicht pauschal für sämtliche Kommunikations- und Standortdaten aller Nutzer von Telefon- und Internetdiensten greift. Sie wird nicht auf einen Personenkreis beschränkt, für den ein berechtigter Tatverdacht im Zusammenhang mit einer schweren Straftat besteht. Da der Beschluss jedoch nur für die Klägerin wirksam und nicht anfechtbar ist, müssten andere Unternehmen selbst Klage erheben, um die Speicherpflicht auszusetzten. Aufgrund des Beschlusses teilte jedoch die Bundesnetzagentur am 28. Juni 2017 mit, dass vorerst keine Maßnahmen gegen Telekommunikationsanbieter, die der Speicherpflicht nicht nachkommen, durchgesetzt werden.
Der Landesdatenschutzbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg Dr. Stefan Brink begrüßt diese Entscheidung, da er die Vorratsdatenspeicherung als einen problematischen Schritt bezeichnet: „Die in unserer Verfassung verankerte Unschuldsvermutung wird eingeschränkt; stattdessen gilt jeder Bürger, der moderne Kommunikationsmittel benutzt als potenzieller Straftäter. Darüber müsse jeder Anhänger eines freiheitlichen Rechtstaats besorgt sein.“