Die Deutschen Aufsichtsbehörden befassen sich aktuell mit den Anforderungen der DSGVO. Hierzu erlässt die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) gemeinsame Kurzpapiere zur DS-GVO. Das dritte Kurzpapier handelt von der Verarbeitung personenbezogener Daten für Werbung. Hier einige der wichtigsten Punkte.
WERBUNG NACH INTERESSENABWÄGUNG
Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit von Werbung ist in Zukunft, abgesehen von einer Einwilligung, eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO. Ausgangspunkt für die zu treffende Abwägungsentscheidung ist Erwägungsgrund (ErwGr.) 47 DS-GVO, der u. a. ausführt: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“
Ferner gibt ErwGr. 47 DS-GVO im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung vor, die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person“, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, in den Abwägungsprozess einzubeziehen.
Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Dem Working Pa- per der Art. 29 Datenschutzgruppe (WP 217, S. 51), das sich allerdings auf die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG bezieht, können insoweit erste Interpretationshinweise entnommen werden.
Die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person werden bei Maßnahmen zur werblichen Ansprache maßgebend durch die Informationen nach Art. 13, 14 DS-GVO zu den Zwecken der Datenverarbeitung bestimmt werden.
Informiert der Verantwortliche transparent und umfassend über eine vorgesehene werbliche Nutzung der Daten, geht die Erwartung der betroffenen Person in aller Regel auch dahin, dass ihre Kundendaten entsprechend genutzt werden.
Insoweit ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass die von Werbung betroffenen Personen ein jederzeitiges und umfassendes Widerspruchsrecht haben (Art. 21 Abs. 2 DS-GV0), auf das sie ausdrücklich hinzuweisen sind (Art. 21 Abs. 4 DS-GVO). Der Werbewiderspruch hat nach Art. 21 Abs. 3 DS-GVO zur Folge, dass personenbezogene Daten für Werbezwecke nicht mehr verarbeitet, insbes. verwendet werden dürfen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, ob die betroffene Person bereits Kunde des Verantwortlichen ist oder dessen Dienste nutzt (ErwGr. 47 DS-GVO). Ferner sind bei der Interessenabwägung auch die allgemeinen Grundsätze aus Art. 5 Abs. 1 DS-GVO zu berücksichtigen, also insbesondere
- faire Verfahrensweise
- dem Verarbeitungszweck angemessen
- in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise (insbesondere Nennung der Quelle der Daten)
Diese Grundsätze sprechen jedenfalls dagegen, Profile zur werblichen Ansprache (Werbescores) zu erstellen, die z. B. Informationen aus sozialen Netzwerken berücksichtigen.
Eingriffsintensivere Maßnahmen wie Profilbildung sprechen eher dafür, dass ein Interesse der betroffenen Person am Ausschluss der Datenverarbeitung überwiegt.
Unabhängig von der Interessenabwägung müssen die Informationspflichten nach den Art. 13, 14 DS- GVO eingehalten werden.
GRENZEN AUS DEM UWG
Auch nach neuem Recht wird die Interessenabwägung bei der Nutzung der Kontaktdaten von Verbrauchern für Telefon- und Faxwerbung dazu führen, dass diese weiterhin nur mit einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung erlaubt ist. Alles andere wäre im Hinblick auf die klaren Regelungen in § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit den vernünftigen Erwartungen der Betroffenen (ErwGr. 47 DS-GVO) nicht zu vereinbaren. Ebenso ist eine Kontaktdatennutzung für E-Mail- und SMS-Werbung außerhalb einer Einwilligung nur im Fall der Eigenwerbung bei Bestandskunden unter den Maßgaben von § 7 Abs. 3 UWG zulässig.
Im Übrigen bleibt abzuwarten, inwieweit die geplante neue ePrivacy-Verordnung im Bereich der elektronischen Werbung konkrete Regelungen (z. B. ausschließliche Opt-in-Lösung) für werbliche Ansprachen enthalten wird.
KOPPLUNGSVERBOT
Das bisher schon bestehende Koppelungsverbot für Werbung findet sich auch in der DS-GVO wieder, ist aber nicht mehr davon abhängig, ob ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen möglich ist. Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, ist dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung zu tragen, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrages nicht erforderlich ist (Art. 7 Abs. 4 DS- GVO).
Bei „kostenlosen“ Dienstleistungsangeboten, die die Nutzer mit der Zustimmung für eine werbliche Nutzung ihrer Daten „bezahlen“ (z. B. kostenloser E- Mail-Account gegen Zustimmung für Newsletter-Zusendung als „Gegenfinanzierung“), muss diese vertraglich ausbedungene Gegenleistung des Nutzers bei Vertragsabschluss klar und verständlich dargestellt werden. Nur dann besteht keine Notwendigkeit mehr für eine Einwilligung.
AUSBLICK DER DSK
Soweit Werbung nicht auf einer wirksamen Einwilligung der betroffenen Person beruht, wird für die Zulässigkeit von Werbung in Zukunft fast aus- schließlich die nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO vorgeschriebene Interessenabwägung maßgeblich sein. Inwieweit es in Europa gelingen wird, die in Deutschland entwickelten Maßstäbe auch unter Geltung der DS-GVO aufrechtzuerhalten, wird sich zeigen. Anzustreben sind für diesen Bereich möglichst EU-weite Verhaltensregeln. Sollte das nicht für die wesentlichen Bereiche der Werbung gelingen, wird mit Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses auch zu diesem Thema zu rechnen sein.