Im Rahmen der veröffentlichten Tätigkeitsberichte der Landesdatenschutzbeauftragten NRW und Berlin für das Jahr 2016 kritisieren diese die Praxis virtueller Personalauswahl: In den vorliegenden Fällen hatten Personalverantwortliche Bewerbungsgespräche über Skype Videochat geführt. Die Datenschützer sehen darin eindeutige Verstöße gegen das geltende Datenschutzgesetz.
VERMEINTLICHE VORTEILE…
Manche Stellen sind so begehrt, dass sich der Arbeitgeber einer Vielzahl an Bewerbern gegenübersieht. Für manche Stellen ist die Anzahl zwar durchaus überschaubar, dafür kommen die Bewerber aus dem gesamten Bundesgebiet oder aus dem Ausland. In beiden Fällen erscheint es dann sinnvoll, vor dem eigentlichen Bewerbungsgespräch eine Vorauswahlrunde per Video zu schalten. So kann entweder mit weniger Aufwand eine größere Menge an Bewerbern „durchgesehen“ werden, bzw. spart man sich und den Bewerbern zunächst die weite und kostenintensive Anreise. Werden die Interviews aufgezeichnet, ist es sogar später möglich, die Bewerber nochmals gründlicher unter die Lupe zu nehmen, und zusätzlich eine Sprachsoftware einzusetzen, die es erlauben soll, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Bewerbers zu ziehen.
…DENNOCH UNZULÄSSIG
Sowohl die Landesdatenschutzbeauftragten für Nordrhein-Westfalen als auch für Berlin haben diesem Vorgehen eine klare Absage erteilt und argumentieren, dass die Rechtsgrundlage für die Datenerhebung fehlt. Gemäß § 32 Abs. 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten im Bewerbungsverfahren nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung erforderlich ist und zugleich keine schutzwürdigen Interessen des Bewerbers entgegenstehen.
Die praktizierte „Computervorauswahl“ stellt ihrer Ansicht nach keine Datenerfassung dar, die für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwingend erforderlich ist, da eine Eingrenzung der Bewerber auch über klassische Auswahlverfahren – wie Telefoninterviews oder schriftliche Vortests erfolgen kann.
Auch das Argument der Unternehmen, dass unter Nutzung der neuen Medien eine weit größere Zahl an Bewerbern gesichtet werden könne und so eine höhere Qualität der Personalauswahl besteht, ließen die Aufsichtsbehörden nicht gelten. Ihrer Ansicht nach steht der Schutz der Bewerber im Vordergrund, da durch die Aufzeichnung und wiederholte Ansicht des Bewerbungsgespräches sowohl eine weit umfassendere Prüfung der Antworten als auch eine Analyse von Mimik und Gestik zulassen. Dies stellt wiederum einen größeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Bewerber dar, als es in einem einmaligen Live-Gespräch der Fall wäre. Zusätzlich wurde bemängelt, dass die Datenspeicherung bei Skype-Interviews auf Servern in den USA stattfindet und somit ein rechtswidriger Datentransfer in einen Drittstaat vorliegt. Ebenso ist das Recht auf informationeller Selbstbestimmung betroffen, da die Bewerber nicht wüssten, wie lange die Daten gespeichert werden, und wer auf die Daten Zugriff hat.
FREIWILLIGKEIT NICHT AUSREICHEND?
Aber wie sieht es aus, wenn der Bewerber die Wahl hat und dann einem Videointerview ausdrücklich zustimmt, anstatt zu einem „Vor-Ort-Termin“ anzureisen? Dann könnte man doch eigentlich davon ausgehen, dass dies dann nach § 4 a BGSG wieder zulässig ist. Die Problematik sehen die Aufsichtsbehörden wiederum darin, dass eine solche Zustimmung im laufenden Bewerbungsverfahren nicht im Rahmen einer freiwilligen Entscheidung erfolgt sein könnte – etwa, weil der Bewerber Nachteile bei der Stellenbesetzung befürchtet wenn er nicht zustimmt.