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Mangelhafter Datenschutz kann Leben kosten
Es ist ja so: Wir sind alle mit Weisheiten aufgewachsen, um die wir uns nicht mehr scheren, sobald wir der Auffassung sind, dass sie auf uns selbst nicht mehr zutreffen. „Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht“ ist so ein Spruch. Die Aussage ist ganz schön wichtig, denn die richtigen Werkzeuge in den falschen Händen können nun mal für großen Schaden sorgen. Das weiß jeder, der schon mal mit Affen mit Waffen zu tun hatte. Es gibt ein bekanntes Video, in dem ein Schimpanse eine Gruppe afrikanischer Söldner mit einer Kalschnikow (AK-47) aufmischt. Das Video ist übrigens ein Fake, zeigt aber sehr schön, was eine Waffe in falschen Händen bedeuten könnte.
Biometrische Daten sind ein mächtiges Tool. Vor allem die US-Armee wusste das schon vor gut zehn Jahren zu schätzen und machte sich daran, einen Großteil der Bevölkerung Afghanistans mit Hilfe von Iris- und Gesichtsscans und Fingerabdrücken zu erfassen. 80% der Menschen im Land sollten auf diese Weise eindeutig identifizierbar gemacht werden, vor allem, weil befürchtet wurde, dass sich Taliban einschleichen könnten, etwa als Fahrer oder Übersetzer.
Wenn sich Umstände ändern, Machtverhältnisse sich verschieben, kann etwas, das ursprünglich der Sicherheit diente, plötzlich zur Gefahr werden. Es gibt zahlreiche Geschichten von Hunden, die ihre Besitzer angreifen, sobald diese sich in einer geschwächten Position befinden, etwa nach einem Schlaganfall.
In Afghanistan hätte die US-Armee nicht damit gerechnet, dass die Taliban wieder an die Macht gelangen könnte. Dass die USA bereits während des Kalten Krieges durch die politische und materielle Unterstützung islamistischer Rebellengruppen die Taliban mit aufgebaut haben, ließ sie wohl keine Lehre aus der Sache ziehen. Die Schlange, die sie einst am Busen nährten, ist jetzt zurückgekehrt und beißt wild um sich. Wer kann, flüchtet. Und wer dazu in der Lage ist, nimmt auch das mitgebrachte Dosenbier und die leckeren Cocktails wieder mit, aber die Irisscanner werden freilich zurückgelassen…
Nun sind Datensammelsammelgeräte, die wie eine Art übergroße Digitalkamera aus den 90ern aussehen in die Hände der Taliban geraten. HIIDE (Handheld Interagency Identity Detection Equipment) ist ein Gerät, mit dessen Hilfe Fotos gemacht, aber auch Irisscans und Fingerabdrücke gesammelt und gespeichert werden können. Wenn solche Geräte und die damit gewonnenen Datensätze in die Hände einer islamistischen Terrororganisation geraten, die bekannt dafür ist, „keine Gefangenen zu machen“ , haben Menschen, deren Daten erfasst wurden, ein verdammtes Problem: Sie befinden sich in Lebensgefahr. Und warum? Wegen der Datensammelwut und des Überwachungswahns derer, die sich vor denen, die jetzt im Besitz dieser Daten sind, schützen wollten. Pech haben nun die afghanischen Ortskräfte und all jene, die mal mit der US-Armee kooperiert haben und jetzt nicht einfach aus dem Land rauskommen.
Dieses erschütternde Beispiel zeigt, was Datenschutz eigentlich ist und wem er dient, nämlich den Menschen.
Natürlich können wir hier in Europa sagen: „Oje, wie schlimm, aber hey, hier gibt’s zum Glück keine Taliban, sondern stabile Demokratien!“. Wir können aber auch einen Blick auf europäische Regierungen werfen, die die Rechte bestimmter Bevölkerungsgruppen massiv einschränken, so wie dies zum Beispiel in Ungarn der Fall ist. Solange wir selbst nicht betroffen zu sein meinen, ist uns vieles egal. Und wenn wir dann doch betroffen sind, können wir nicht mehr viel tun. Wie glücklich können wir uns schätzen, dass es Gesetze gibt, die solche Dinge wie den Datenschutz regeln – auch wenn wir der Auffassung sind, dass sie für uns keine große Rolle spielen.