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Es ist ja so: Daten sind eine kostbare Sache. Vor allem, wenn man damit etwas anzufangen weiß. Gesundheitsdaten sind ein besonders sensibler Vertreter der Gattung „Daten“, der deshalb einen besonderen Schutzstatus genießt. Im Zusammenhang mit der weltweiten Corona-Pandemie ist es nun in Bayern zu einer verheerenden Panne gekommen. Mehr als 1.000 positiv Getestete wurden nicht benachrichtigt, was ja eigentlich der Zweck des Ganzen gewesen wäre. Wenn ich eine Klausur schreibe, geht es ja um das Ergebnis und nicht darum, dass ich einfach nur eine Klausur schreibe, die dann weggeschmissen wird. Obwohl das manchmal vielleicht schöner wäre.
Mittlerweile wurden über 100.000 Reisende an bayerischen Corona-Teststationen getestet. Sie alle sollten über ihr Testergebnis informiert werden – auch die negativ Getesteten. Dass das ganz schön viel Arbeit sein könnte, hat man in der Bayerischen Staatskanzlei und im Gesundheitsministerium freilich nicht bedacht. Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich in der Pressekonferenz am 13. August zur Testpanne und erklärte, dass der starke Andrang ihn „überrascht“ habe. Das Konzept für die Teststationen war mit heißer Nadel gestrickt, der Anspruch höher als die Umsetzung erfolgen konnte. Und was macht die Politik, wenn die Kapazitäten nicht reichen? Dann wird eben das Ehrenamt dankbar als Erfüllungsgehilfe für staatliche Grundaufgaben in die Pflicht genommen. Bayerische Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz erhielten vom Freistaat den Auftrag, innerhalb von einem Tag (!) fünf Teststationen an zwei Hauptbahnhöfen und drei Rastanlagen in Betrieb zu nehmen. Da so schnell noch keine digitale Möglichkeit der Datenerfassung zur Verfügung stand, baute man auf die gute alte Papier-und-Stift-Kombi. Die Daten der Reisenden wurden „händisch“ erfasst, wie es so schön heißt.
Soweit, so unprofessionell. Was dann kam, ist allerdings fast filmreif: Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ließen mal eben ein paar tausend Kontaktbögen, die vorher von den Reisenden ausgefüllt worden waren, an der Corona-Teststation Donautal-Ost liegen. Neben den Kontaktdaten waren darauf auch die Urlaubsländer vermerkt, aus denen die Reisenden kamen – eine Information, die im Zusammenhang mit der Deklaration von Corona-Risikogebieten durchaus sehr relevant sein kann. Die Labor-Datenblätter schienen den LGL-Mitarbeitern aber zu reichen. Der Zweck der zusätzlichen Kontaktbögen bleibt schleierhaft, zumindest konnte bisher keine Behörde erklären, wozu sie überhaupt gut waren. Zum Liegenbleiben vielleicht. Oder man war der Auffassung, dass doppelt besser hält und doppelt erfasste Daten eben besonders gute Daten seien. Die an der Raststätte zurückgelassenen Datenbögen wurden schließlich von der Polizei zum Gesundheitsamt in Passau gefahren.
Ministerpräsident Markus Söder war durchaus in der Lage, die Ursache des Übels auszumachen. Bei solchen Datenmengen kommen wir mit Papier und Stift schlichtweg nicht mehr klar. In der Pressekonferenz erklärte er: „Das Grundproblem scheint mir zu sein, diese Frage, ob digital oder händisch. Das ist die Kernfrage. Ab digitalem Eintrag kein Problem, weil Transparenz, Vergleichbarkeit, Nachprüfbarkeit. Umgekehrt das Problem: Händischer Eintrag. Der händische Eintrag hat unter anderem damit zu tun, dass es in der Tat eine schnelle Aufstellung gegeben hat, deswegen eben auch kein Vorwurf, und dass der Andrang überraschend groß war, denn es haben sich unglaublich viele Menschen auch testen lassen, die nicht aus einem Risikogebiet sind. Denn eigentlich war das ja eine Ergänzung zu den Risikogebieten.“
Abgesehen von tausenden liegengebliebenen Kontaktbögen, ergab sich noch ein weiteres Problem bei der „händischen“ Erfassung der Daten: Die Sauklaue mancher Menschen. Deshalb konnten letztendlich auch über 100 positive Tests nicht zugeordnet werden. Ob da eine 3 oder eine 2 oder eine 8 steht, ist bei handschriftlichen Notizen oft schwer zu sagen. Das musste auch Gesundheitsministerin Huml einräumen.
Eine derart schlechte Organisation zeigt wieder einmal ein grundlegendes Problem auf: Menschen, die eigentlich wissen, dass das, wozu sie beauftragt worden sind, so nicht praktikabel ist („Lena, ruf doch mal bitte die 900.000 Leute hier schnell an!“), machen trotzdem ihren Job. Und am Ende kommt ein riesiger Haufen Müll (zurückgelassene Kontaktbögen) dabei raus.
Wobei wir wieder beim Datenschutz wären: Menschen tun Dinge, deren Sinn sie gar nicht wirklich begreifen – und entsprechend „locker“ wird dann damit umgegangen. Wenn Seuchenschutz und Datenschutz nicht gut organisiert sind, bringen sie nichts. Riesige Datenmengen lassen sich nur mit Hilfe einer lückenlosen organsierten Herangehensweise handhaben. Mit Block und Bleistift eher nicht…
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